Europatage an der Graf-Friedrich-Schule Diepholz unter dem Motto „Wir in Europa!“

Auch in diesem Jahr fanden am Gymnasium Graf-Friedrich-Schule Diepholz Europatage unter dem Motto „Wir in Europa!“ statt. So sollten Schülerinnen und Schüler und auch die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Urteil über die Europäische Union zu bilden.

Eine Reihe von Veranstaltungen bot dabei den Schülerinnen und Schülern des 10.-12. Jahrgangs die Möglichkeit, sich die Europäische Union aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Wie die Diskussionen mit den Referentinnen und Referenten zeigten, zeigen die Schülerinnen und Schüler ein reges Interesse an europapolitischen Themen. 

Begonnen wurden die Europatage mit einer Diskussionsveranstaltung mit David McAllister, Mitglied des Europaparlaments und ehemaliger Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Nach einem Parforceritt durch den Integrationsprozess der Europäischen Union beantwortete McAllister die unterschiedlichsten Fragen der Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs. Dabei ließ er auch kritische Ansichten nicht aus. So seien die Wege der Europäischen Union manchmal sehr bürokratisch und dauerten lange, aber man habe mit der Europäischen Union eine Gemeinschaft geschaffen, die die längste Phase des Friedens in Nord- und Westeuropa sichergestellt hätte. Die Europäische Union sei ein fragiles Gebilde, welches durch aufkommenden Nationalismus bedroht sei. Es sei an der Schülerinnen und Schüler als zukünftig handelnde Personen, diese Europäische Union nach ihrem Sinne in die Zukunft zu führen. Besonders emotional wurde der Europaparlamentarier mit britischen Wurzeln als es um den Brexit ging. So beschrieb er diesen als „komplett bescheuerte Entscheidung“.

Daran schlossen sich Diskussionsveranstaltungen mit Silvia Breher (Mitglied des Bundestages und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU), Christoph Pohlmann, „Abteilungsleiter Europa“ im niedersächsischen Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Prof. Dr. Peter Nitschke von der Universität Vechta an. Diese nahmen für die Jahrgänge 10 - 12 die bundespolitische, landespolitische und wissenschaftliche Perspektive ein. Dabei wurde insbesondere beim Beitrag von Prof. Dr. Nitschke deutlich, in welchen Bereichen die Europäische Union besonders Vorteile bietet, wo Handlungsbedarf besteht und wie die Zukunftsperspektiven der Europäischen Union aussehen.

In den folgenden Tagen hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich mit Hauptmann Meike Bauersfeld, Jugendoffizierin der Bundeswehr, im Hinblick auf die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und der Europäischen Union und einem Flüchtling aus der ehemaligen DDR im Hinblick auf den Wunsch in einem freiheitlichen demokratischen politischen System zu leben, auszutauschen.

Abschließend konnten die Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 10 innerhalb unterschiedlicher eintägiger Workshops neue Perspektiven der Demokratie und den Herausforderungen einer pluralistischen Gesellschaft in Europa kennenlernen. So boten Kolleginnen und Kollegen der Graf-Friedrich-Schule und Diana Häs aus Osnabrück unterschiedliche thematische Schwerpunkte an:  Alltagsrassismus (Johannes Fioole); Kriegspropaganda (Jens Gering); „wir“ vs. „die“: Vorurteile, Stereotype, Klischees (Kristin Petter, Armin Schneider); Auf Hate Speech und Fake News reagieren (Diana Häs, Dominic Hermes).

In einem sechsstündigen Workshop zum Thema „Kriegspropaganda“ setzten sich die Schüler(innen) der 10a mit Desinformation und Fakes in modernen Medienkriegen auseinander. Ausgangspunkt waren die „10 Prinzipien der Kriegspropaganda“, die der britische Politiker Lord Arthur Ponsonby vor dem Hintergrund des 1. Weltkriegs konstatierte. Spätestens in diesem Weltkrieg wurde klar, dass Kriege nicht nur auf dem Schlachtfeld gewonnen werden. Propaganda war und ist ein wichtiges Mittel, um die Motivation der eigenen Bevölkerung zu steigern und die Moral des Feindes zu schwächen. Dass die Prinzipien der Propaganda im Laufe der Jahrzehnte bis heute gleich blieben, arbeiteten die Schüler(innen) in einer eigenständigen Recherchearbeit heraus. Verändert haben sich in den letzten 100 Jahren natürlich die Medien der Propagandisten. Gerade Social Media bietet ihnen fast unendliche Möglichkeiten der Desinformation. Diese Gefahr war auch den Schüler(inne)n bewusst, die selbst bereits Erfahrungen mit Fake News sammelten. Daher war es wichtig, am Ende des Workshops herauszuarbeiten, wie man sich vor Falschinformationen schützen kann.

Die 10b beschäftigte sich mit dem Thema Alltagsrassismus: mit Ursprüngen des Rassismus und der Rassentheorie, mit Zahlen zu Rassismus in der BRD und mit aktuellen Studienergebnissen. Ausgangs- und Schwerpunkt des Workshops war jedoch die Feststellung, dass der Rassismusbegriff in den letzten Jahren stetig weiter gefasst wird. Während der Begriff früher fast ausschließlich Rechtsradikale kritisierte, kann heute schon ein unglücklich formulierter Satz als rassistisch gelten. Sowohl der enge als auch der weite Rassismusbegriff vermochte die 10b nicht abschließend zu überzeugen. Um herauszufinden, wo für sie Rassismus beginnt, loteten die Schüler in verschiedenen Übungen zu Identitätsfragen, Stereotypen und Privilegien aus, was genau sie selbst als rassistisch empfinden. Zuletzt untersuchten die Schüler, wie Rassismus bekämpft werden könnte. Hier sei jeder einzelne gefragt: Zivilcourage sei notwendig, wenn wir Rassismus begegneten. Rassismus sei jedoch auch eine Frage der Erziehung und der schulischen Aufklärung; hier seien leider keine schnellen Erfolge erwartbar, so die weit geteilte Einschätzung der 10b. Dem Staat obliege darüber hinaus die Aufgabe, Auswirkungen von rassistischen Vorstellungen (vor allem auf dem Arbeitsmarkt) zu neutralisieren; der Vorschlag etwa, anyonyme Bewerbungsverfahren einzuführen, erhielt in der 10b hohe Zustimmungswerte.

Wer sind „wir“? Und wer sind „die“? Und warum gibt eine solche Klassifizierung überhaupt? Warum meinen wir, uns von anderen abgrenzen zu müssen? Hat das für uns tatsächlich einen Nutzen oder ist das einfach nur gemein? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Klasse 10c im Rahmen ihres Projekttages. Dass man sich abgrenzt und das meistens wertend, war schnell klar. Um Wertungskriterien jedoch beurteilen zu können, galt es, zunächst die Begrifflichkeiten „Stereotype“, „Klischee“ und „Vorurteil“ voneinander abzugrenzen. Vornehme Zurückhaltung, rauchende Köpfe, fragende Blicke und die Suche nach Beispielen, die die Theorie anschaulich und Grenzen ziehend in alltagstaugliche Häppchen packten. Es dauerte eine Weile, bis die wichtigen Fragen gestellt wurden und sich Dialoge entwickelten. Doch dann, ausgestattet mit Basiswerkzeug, machten sich die SchülerInnen in Kleingruppen daran, ihren eigenen Alltag zu durchforsten, sammelten Ideen, diskutierten, was man darf und wann Grenzen überschritten werden, reflektierten ihr eigenes Verhalten und wie mit ihnen umgegangen wird. Schließlich präsentierten sie der Klasse ihre Ergebnisse, machten stellenweise nachdenklich, regten zu Fragen an und verdeutlichten den Zuhörern und sich selbst schließlich, dass unser Handeln stets vom Schubladendenken geleitet wird, um den Alltag überhaupt bewältigen zu können, dass dabei aber eine kritische Reflexion wichtig bleibt, um Probleme und Diskriminierungen zu vermeiden.

Die 10d behandelte das Thema „Auf Hate Speech und Fake News reagieren“. Dieser Workshop war im Bereich der Politischen Medienbildung angesiedelt. Dabei wurde  deutlich, dass für Kinder und Jugendliche es schwieriger wird, digitale Entwicklungen und deren Auswirkungen in ihrer Breite und Tiefe zu verstehen und zu hinterfragen. Eine Sensibilisierung für mögliche Manipulationen und Beeinflussungen durch gesellschaftliche Gruppen oder Einzelpersonen ist wichtig, damit junge Menschen kritisch mit digitalen Medien umgehen können und Hate Speech oder (Cyber-)Mobbing adäquat begegnen können. Hate Speech in sozialen Netzwerken wird gezielt verbreitet, um Stimmung gegen religiöse, politische, ethnische und soziale Minderheiten oder Einzelne zu machen. Interessengruppen und Regierungen setzen gezielt Fake News ein, um politisch ungewollte Meinungen zu diskreditieren und Menschen zu erniedrigen oder um die öffentliche Debatte zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Erstellung und Verbreitung gezielter Falschmeldungen wird durch digitale Anwendungen und Verbreitungskanäle immer leichter. Nicht jeder hat jedoch die Kompetenzen oder die Zeit, Fake News als solche zu erkennen. Hier setzte dieses Workshop an und vermittelte den Schülerinnen und Schülern das nötige Rüstzeug.

Abschließend gilt allen beteiligten Personen ein großer Dank für die Bereitschaft ein Teil der Europatage an der Graf-Friedrich-Schule zu sein. Gleichzeitig gilt aber auch der gesamten Schulgemeinschaft ein Dank, die diese Europatage tragen und zum Gelingen beigetragen haben.

Text: Johannes Fioole, Jens Gering, Dominic Hermes, Armin Schneider; Fotos: Dominic Hermes, Matthias Stock