Europa auf dem Stier

In Zeiten, in denen der europäische Gedanke auf dem Prüfstand steht, ist es besonders wichtig, dass wir Europäer uns des Wichtigsten bewusst sind, was die Einigung des Kontinents uns allen in den letzten 70 Jahren gebracht hat: Frieden.
Frieden ist bei uns weitgehend zur Selbstverständlichkeit und der Krieg zu etwas geworden, was wir zwar im TV „live und in Farbe“, aber doch virtuell und im Regelfall ohne persönliches Leid für uns selbst erfahren. Daher gilt es gerade nun und gerade jungen Menschen nahezubringen, wie einzigartig und wie wertvoll der europäische Gedanke ist.
Aus diesem Grund hatte der 11. Schulinterne Lateinwettbewerb für den Jahrgang 6 der GFS, in dem wie in jedem Jahr zehn Aufgaben zu einem Thema zu beantworten waren, „Europa“ zum Thema. Naturgemäß setzt das Fach Latein dabei bei den Ursprüngen an; denn abgesehen von Nord- und Nordosteuropa gehörten die meisten europäischen Ländern seinerzeit ganz oder doch teilweise zum römischen Reich.
Wie in den Vorjahren stellten sich erfreulich viele Schüler dem anspruchsvollem Wettbewerb. In Aufgabe 1 ging es um römische und aktuelle Städte- und Ländernamen, in Aufgabe 2 um „Mutter Latein und ihre Töchter“; die enge verwandtschaftliche Beziehung gerade bei den romanischen Sprachen ist im Vokabular unverkennbar. So stammen z.B. das englische liberty, das französische liberté, das spanische libertad oder das italienische libertà von dem lateinischen libertas (Freiheit) ab. Neben den romanischen Sprachen ist auch die englische Sprache stark vom Lateinischen geprägt; ca. 60 Prozent des englischen Vokabulars sind lateinischen Ursprungs.
In Aufgabe 3 befassten sich die Schüler mit den kulturellen Errungenschaften, die mit den Römern Verbreitung fanden; denn die Römer brachten neben ihrer Sprache auch ihre Gesetze, ihre Sitten, ihren Speiseplan, ihre Architektur, ihren Straßenbau, ihren Sport und ihre Sitten mit in die Provinzen. Kannten die Römer bereits Kartoffeln? Kannten sie Tomaten? Konnten sie mehrstöckige Häuser oder überdachte Schwimmbäder bauen? Spielten sie Mühle oder Würfelspiele oder gar Schach? Handelten sie mit Bernstein? Mit Papier? Kannten sie bereits Seide? Perücken? Zucker? Hier wurde von den Schülern sorgfältige Recherchearbeit verlangt.
Aufgabe 4 lenkte den Blick auf „Antike Wurzeln im heutigen Europa“. Aus jeweils vier Antwortmöglichkeiten galt es die richtige auf Fragen aus einem weiten Spektrum zu finden: Mythologie, Bauwerke, Sprache, Geographie, Sitten, Fremdwörter u.v.m.
Selbstverständlich durfte der Euro nicht fehlen, wobei es konkret um Darstellungen aus der Antike auf Euromünzen ging. Kann man bei der 2-Euro-Münze Griechenlands noch leicht Europa auf dem Stier erkennen, so war es für die Sechstklässler schon schwieriger, bei der 50-Cent-Münze Italiens das Reiterstandbild des römischen Kaisers Marc Aurel auf dem sternförmigen Capitolsplatz in Rom zu benennen oder auf der 20-Cent-Münze die Göttin Venus zu erkennen.
Ausführlich mit der Sage der phönizischen Prinzessin Europa befassten sich die Schüler in Aufgabe 6; in einem fehlerbehafteten Text durften sie Lehrer spielen und den Rotstift ansetzen.
Aus aktuellem Anlass befasste sich Aufgabe 7 mit der Fußball-Europameisterschaft. Hier galt es, lateinische Begriffe ihrem deutschen Pendant zuzuordnen. Dass „porta“ das „Tor“ ist oder „chartula rubra“ die „Rote Karte“, ließ sich noch leicht erschließen, schwieriger wurde es da bei „arbiter“ (Schiedsrichter), „seorsum stare“ (im Abseits stehen) oder „hirundo“ (Schwalbe).
Nach diesem Ausflug auf das Spielfeld wurde es in Aufgabe 8 sehr ernst: Aus 12 Zitaten zum Thema „Krieg und Frieden“ war eines auzuwählen und die Wahl zu begründen.
Traditionell sind bei Aufgabe 9 das „Diepholzer Allerlei“, eine Sammlung aus Fragen zur Grammatik und Sprache, und bei Aufgabe 10 die Herausforderung an die Kreativität.
Bei Letzterer sahen sich die Schüler der Aufgabe gegenüber, Europa bildlich darzustellen. Hier wurden ausgesprochen originelle Ideen teilweise sehr aufwändig und gekonnt umgesetzt; eine Auswahl wird beim nächsten Tag der Offenen Schule ausgestellt werden.
Für die Bearbeitung dieses umfangreichen Aufgabenkatalogs standen den Schülern drei Wochen zur Verfügung. Den Sieg konnte Jana Hinrichs mit 110 Punkten davontragen, gefolgt von Jonas Siemering (104,5 P.) und Katharina Völkening (103 P.).
Die Fachschaft Latein zeigte sich sehr erfreut, dass ingesamt 26 Schüler den hohen Zeitaufwand in Kauf genommen und sich den Aufgaben gestellt hatten, da Interesse an der Antike, Freude am selbständigen Lernen und Wissensdrang unabdingbare Voraussetzungen für dieses über den Unterricht hinausgehende Engagement sind.
 
Text und Fotos: Maria Schmutte